Page 31 - Blutritt Weingarten 2017
P. 31

 – mit ihrer Profanierung von Kirchen, der blutigen Verfolgung von Priestern und Ordensleuten – eine strikte Wende gegen die Moderne vollzog, sich als ultramontaner Kampfverband formier- te, quasi militärisch organisiert, mit der Geistlichkeit als Offizierscorps, den Bi- schöfen als Generälen und dem Papst als Oberbefehlshaber unangreifbar im fernen Rom jenseits der Alpen („ultra montes“), wurde die Volksfrömmigkeit, wenngleich strikt kontrolliert, reakti- viert und ergänzt. Sie war emotionaler Kitt für eine sich ausbildende katholi- sche Subkultur. So lebten verschiede- ne Wallfahrten und auch der Blutritt wieder auf. Er wurde ergänzt durch die Lichterprozession zum Kreuzberg am Abend vorher.
Immer schon eine Städtelandschaft
Von den 51 Freien Reichsstädten am Ende des Alten Reichs lagen 25 im heutigen Baden-Württemberg. Sieben davon findet man in Oberschwaben: Biberach, Buchau, Buchhorn/ Fried- richshafen, Isny, Leutkirch, Ravens- burg, Wangen. Fünf weitere Städte liegen im weiteren geografischen Umfeld: Memmingen, Lindau, Ulm, Pfullendorf und Überlingen.
Die „vorderösterreichischen Do- naustädte“ einschließlich Ehingen hatten annähernd reichsstadtähnlichen Charakter, sie waren aber zu klein und vermutlich wirtschaftlich zu unbedeu- tend, um wirklich zu Reichsstädten aufzusteigen: Mengen, Munderkingen, Riedlingen, Saulgau und Bad Waldsee.
Den meisten Reichsstädten wird eine strukturelle Affinität zur Reforma- tion nachgesagt, doch in Oberschwa- ben sind lediglich Isny und Leutkirch protestantische Reichsstädte – dem Ursprung nach, denn da das Umland auch hier katholisch war und ist, ist die Bevölkerungsmehrheit längst katho- lisch. Biberach und Ravensburg sind paritätische Reichsstädte, in denen Protestanten und Katholiken gleichbe- rechtigt waren.
Kleine Wirtschaftsgeschichte
Wirtschaftsgeschichtlich gesehen wa- ren und sind die meisten Reichsstädte Wirtschaftsmotoren und kulturelle Zentren, in der Vergangenheit wie auch heute im modernen Wirtschaftsge- schehen. Die Bevölkerung der Reichs- städte ist wendig und erfindungsreich. Sie wissen zu arbeiten und zu leben. Längst ist Oberschwaben im Zuge der Industrialisierung ein moderner deut- scher Wirtschaftsstandort geworden.
So zieht sich von Ulm über Laup- heim, Biberach, Bad Waldsee, Wein- garten, Ravensburg bis hin nach Fried- richshafen, dabei immer wieder auf die Dörfer und kleinen Städte im Umland ausgreifend ein Band wichtiger Indu- striebetriebe durch Oberschwaben. Nicht selten sind dabei bekannte Glo- bal Players mit teilweise sehr hohen Marktanteilen zu finden. Attraktiv ist dieses Oberschwaben, dank seiner guten Wirtschaftsstruktur, einer ziem- lich gesunden Umwelt, einem hohen Freizeitwert und natürlich dem Blutritt.
Blutritt in Weingarten
 25

























































































   29   30   31   32   33